Samstag, 13. Oktober 2018

Der Urwald im Hambacher Forst – ein Begehungsbericht

Der Urwald im Hambacher Forst – ein Begehungsbericht

Was bleibt vom Urwald, wenn es mutmaßlich 50.000 für die Weltrettung protestierenden Menschen, einer Band die Flagge „zeigt“, geschäftstüchtigen NGO’s, Bürgerinitiativen und zig „Aktivisten“ teilweise unter Zuhilfenahme von Fäkalienkübeln gelingt, das letzte Kleinod deutscher Wälder, den Hambacher Forst, zu retten? Was erleben Menschen, die das mit eigenen Augen sehen wollen?




Dem wollte ich auf den Grund gehen und hatte im Achse-Artikel „Verirrt im Hambacher Forst“ zu einem Waldspaziergang am Samstag, dem 13.10. um 11 Uhr eingeladen.

Es gab Reaktionen von Menschen aus der Umgebung, die sich meldeten, den Achse-Artikel sachlich und richtig fanden, aber auch mit spazieren wollten. Kollegen aus der Firma hatten auch über die Achse davon erfahren und ihre Teilnahme angekündigt.
Einige wenige suchten den Dialog im Sinne von „aber die Kohle muss doch weg, Klimaschutz!“, was aber durchaus sachlich per Mail abgewickelt werden konnte und wo nach einigen Argumenten meinerseits wenig Interesse an einer Teilnahme ihrerseits verblieb.

Freitag morgens kamen über Kollegen erste Hinweise auf Diskussionen zu dieser Spaziergangsankündigung in den Medien auf den einschlägigen „Hambi_bleibt“-Twitterkanälen. Interessant der Hinweis: „Wollte nicht verlinken, Achse des Guten“ – war da wohl Angst vor intellektueller Infektion zu spüren? Wovor haben die sonst Angst?


Von Facebook wurde mir ein Kommentar der bis in die Strukturwandelkommission hinein beliebten Bürgerinitiative  „Buirer für Buir“ zugeschickt: „Dass er auf der Seite „Achse des Guten“ schreibt, spricht auch für sich“, 



die Buirer für Buir selbst warnten schon dank ihres guten Gedächtnisses:

„Wilhelm Stock, Mitarbeiter eines Energieunternehmens, lädt öffentlich zu einem Waldspaziergang im Hambacher Wald ein:
"Treffen wir uns am Hambacher Forst zu einem Waldspaziergang – wie wäre es am Samstag, den 13.10.2018 um 11 Uhr auf der alten Autobahnzufahrt Buir zur A4? Einfach nur ein Spaziergang in den Wald, unseren Wald…. Ich warte dort. Sprechen Sie mich für Detailinfos einfach an: wilhelm.stock@netcologne.de"
Wir hoffen, dass Wilhelm Stock alias "Willi Stock" auf Twitter, es ernst meint mit "einfach nur ein Spaziergang in den Wald" - 
Wilhelm Stock steht auch für folgenden Tweet: "Gründeppen werden von Linkschaoten in den Tagebau gelockt und kriegen die Hucke voll, so geht #EndeGelaende Guter Job, Polizei!" (15.08.2015).“



Da fragt man sich schon, wovor haben die Angst?

Den Anruf der Unternehmensleitung, die über die Konzernsicherheit ebenfalls informiert worden war, und wissen wollte, was und wie ich es denn vor hätte,  mir nahelegte, doch bitte Eskalationen oder Zuwiderhandlungen gegen das Recht wie z.B. Verstöße gegen das Versammlungsrecht zu unterlassen, verbuchte ich unter gelebte Fürsorge des Unternehmens für seine Mitarbeiter und die Menschen drum herum.

Der Samstag kam. Gegen 10:30 Uhr erreichte ich mit meinem Sohn die Zufahrt in den Wald, wo bereits Werkschutz wartete. Man könne uns nach aktueller Einschätzung der Lage nicht einzeln zur alten Autobahnauffahrt lassen, der Werkschutz würde uns, wenn wir alle da seien, Geleitschutz geben, aber dann müssten wir die Autos dort während des Spazierganges unbeaufsichtigt stehen lassen.
Wir entschlossen uns, ob der Unversehrtheit unserer Fahrzeuge ebenjene am Waldeingang stehen zu lassen und zu Fuß in den Wald zu gehen.
Ein herrlicher Spätsommertag begleitete uns – ist Deutschland eigentlich das einzige Land, das bei solch einem spektakulären Sommer das Ende der Welt ausruft?



Schon auf dem Weg entlang der alten Straße begannen intensive Diskussionen, einige Teilnehmer aus dem RWE-Umfeld konnten fundiert und fachlich Auskunft geben. Diese Antworten klangen alle so anders als die aus dem Mund berufener „Experten“, Waldpädagogen oder der qua genommenem Baumhauswohnrecht selbsternannter Naturschützer im Internet gehörten filterblasengenerierten „Wahrheiten“.

Als wir von der Straße in den Wald abbogen, erwarteten uns als Hinterlassenschaft der Räumung gebliebene breit ausgebaute Wege, allerdings gefühlt alle 20 m von Barrikaden versperrt, um die man teilweise herumgehen, über die man teilweise klettern musste. Sehr behindertenfreundlich …



Nach gut 50 m kamen uns zwei Menschen entgegen, deren einer mit Spiegelreflexkamera die Besucher fotografierte – wovor haben die eigentlich Angst? Für einige von uns befremdlich.

Schnell hatten wir einen Begleiter von Aktivistenseite, der höflich frug, ob er uns begleiten könnte, um zuzuhören, was wir so zu erzählen hätten. Klar, konnte er und hatte manche für ihn wenig ergiebige Diskussion zum Sinn des Widerstandes gegen die Rodung und für eine mächtige große Transformation der Gesellschaft zum linken „Alle-haben-sich-lieb“-Wunderland.

Zwei vermummte Jungaktivistinnen versuchten sich ebenfalls dazu zu gesellen, bogen aber schnell wieder ab, da ihre aggressive Art auf wenig Gegenliebe stieß – Nachwuchs für die alternativen Zellen der Republik.

Der Wald gab sich so, wie mein Eindruck aus den unzähligen Facebook-Streams war – kein schöner Wald, kein Urwald, ein großflächig freigeräumter Wirtschaftswald. Freigeräumt und gefegt durch die Waldschützer, da zig Festmeter Altholz zum Barrikadenbau gedient hatten. Auf einschlägigen Webseiten hatte ich gelesen, dass die Bechsteinfledermaus zu den mittelgroßen Arten gehört, wegen ihres Felles aber schlecht fliegen kann. Daher hat sie sich auch auf die Jagd am Boden spezialisiert. Schlecht, wenn dort keine Insekten mehr im Altholz wegen Wohnungsmangels zu finden sind. Schlecht, wenn wenig Unterholz kaum Fluginsekten ernähren kann.

Ihre niedrige Bestandsdichte (ca. 20 Tiere auf 250 – 300 ha) macht sie empfindlich gegen Störungen. Da genau in der Paarungszeit tausende den Wald stürmten, wird die Umsiedlung entlang der neu geschaffenen Baumzonen zwischen der Kerpener Steinheide und der Sophienhöhe mit dem inzwischen über 30-jährigen Baumbestand spätestens dieses Jahr vollzogen sein.

Aber wie sagte Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND NRW: „Entscheidend sind für uns die Menschen, die Menschen in Buir und Niederzier, für die wir einen Schutz vor unzumutbaren Belastungen erreichen wollen. Dazu nutzen wir die Bechsteinfledermaus.” Business as usual, erinnert an die geplante Lückenschliessung der A33 oder die Verlegung der A4.

Still war es im Wald, kein Vogel zu hören. Wildspuren waren keine zu finden, nichts raschelte im wenigen Unterholz, kein Wunder nach der Großtreibjagd der 20.000 am letzten Wochenende. Wenn Geräusche da waren, dann die Stimmen jenseits der Wege aus den wieder begonnenen Bauaktivitäten der Umweltschützer.
„Ruhe braucht der Wald“ posaunen derweil die Twitter-Accounts der Hambi-bleibt-Aktivisten, soll wohl aber wohl heißen: Alle raus bleiben aus dem Wald außer dem Widerstand gegen Kapitalismus, Demokratie, Rechtssystem und verhasster Gesellschaft.



Dünnes Stangenholz zwischen wenigen dickeren Eichen, Linden, Buchen. Barrikaden, teilweise Gräben in den Wegen - da steckt viel Arbeit und Aktivistenzeit drin. Keine uralte Eiche, knorrig, riesig, märchenhaft – wir haben uns aber auch nicht wirklich in die Tiefen jenseits der Wege getraut.

Übrigens ist dieser Wald auch keine 12.000 Jahre alt, wie eine Abhandlung des Archäologen Markus Janssen aus 1983 nachweist. Erst gegen 500 n. Chr., nachdem die Römer ihre Villae rustica verlassen hatten, begann ein wilder Wald zu wachsen, der schon ab 800 n.Chr. als Bürgewald wirtschaftlich genutzt wurde.

Aussagefähige Plakate und Schilder hingen an den Wegen, „Afd und RWE, beide tun uns alle weh – Bäume statt Zäune“, „Wind weht immer“ oder „Wenn RWE im Recht ist, ist das Recht Scheiße“. Mit den Herbststürmen werden diese Relikte der Zivilgesellschaft wohl als Müll den Wald verschönern.



Nach einer guten Stunde verließen wir den Wald wieder, unser junger Freund unverrichteter Dinge auch. Schwerer Job, mit Ideologie Fakten entkräften zu wollen.

Wir werden wiederkommen – zu neugierig hat uns das (durch das selber Erleben des auf dem heutigen Spaziergang recht nackt gewordene Symbol deutscher Umweltschützermobilisierung) Stück Wald und dessen Weiterentwicklung am Rande des Tagebau Hambach gemacht. 

1 Kommentar:

  1. Wenn die Initiative aus Buir denkt, sie spricht für die Menschen hier, warum gibt es dann bei Facebook eine Gruppe mit dem Namen “Wir Vereine im Rheinischen Revier“ in der sich fast 12000 Menschen aus dem direkten Umfeld des Hambacher Forst komplett entgegen der Buirer Meinung äußern!?

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