Der Urwald
im Hambacher Forst – ein Begehungsbericht
Was bleibt
vom Urwald, wenn es mutmaßlich 50.000 für die Weltrettung protestierenden
Menschen, einer Band die Flagge „zeigt“, geschäftstüchtigen NGO’s,
Bürgerinitiativen und zig „Aktivisten“ teilweise unter Zuhilfenahme von
Fäkalienkübeln gelingt, das letzte
Kleinod deutscher Wälder, den Hambacher Forst, zu retten? Was erleben
Menschen, die das mit eigenen Augen sehen wollen?
Dem wollte
ich auf den Grund gehen und hatte im Achse-Artikel „Verirrt
im Hambacher Forst“ zu einem Waldspaziergang am Samstag, dem 13.10.
um 11 Uhr eingeladen.
Es gab Reaktionen
von Menschen aus der Umgebung, die sich meldeten, den Achse-Artikel sachlich
und richtig fanden, aber auch mit spazieren wollten. Kollegen aus der Firma
hatten auch über die Achse davon erfahren und ihre Teilnahme angekündigt.
Einige wenige
suchten den Dialog im Sinne von „aber die Kohle muss doch weg, Klimaschutz!“,
was aber durchaus sachlich per Mail abgewickelt werden konnte und wo nach einigen Argumenten meinerseits wenig Interesse an einer
Teilnahme ihrerseits verblieb.
Freitag morgens
kamen über Kollegen erste Hinweise auf Diskussionen zu dieser Spaziergangsankündigung
in den Medien auf den einschlägigen „Hambi_bleibt“-Twitterkanälen.
Interessant der Hinweis: „Wollte nicht verlinken, Achse des Guten“ – war da
wohl Angst vor intellektueller Infektion zu spüren? Wovor haben die sonst Angst?
Von Facebook
wurde mir ein Kommentar der bis in die Strukturwandelkommission hinein
beliebten Bürgerinitiative „Buirer für
Buir“ zugeschickt: „Dass
er auf der Seite „Achse des Guten“ schreibt, spricht auch für sich“,
die Buirer für Buir selbst warnten schon dank ihres guten Gedächtnisses:
„Wilhelm
Stock, Mitarbeiter eines Energieunternehmens, lädt öffentlich zu einem
Waldspaziergang im Hambacher Wald ein:
"Treffen
wir uns am Hambacher Forst zu einem Waldspaziergang – wie wäre es am Samstag,
den 13.10.2018 um 11 Uhr auf der alten Autobahnzufahrt Buir zur A4? Einfach nur ein Spaziergang in den
Wald, unseren Wald…. Ich warte dort. Sprechen Sie mich für Detailinfos einfach an:
wilhelm.stock@netcologne.de"
Wir
hoffen, dass Wilhelm Stock alias "Willi Stock" auf Twitter, es ernst meint mit "einfach nur ein Spaziergang
in den Wald" -
Wilhelm Stock steht auch für folgenden
Tweet: "Gründeppen werden von Linkschaoten in den Tagebau gelockt und
kriegen die Hucke voll, so geht #EndeGelaende Guter
Job, Polizei!" (15.08.2015).“
Da fragt man
sich schon, wovor haben die Angst?
Den Anruf der
Unternehmensleitung, die über die Konzernsicherheit ebenfalls informiert worden
war, und wissen wollte, was und wie ich es denn vor hätte, mir nahelegte, doch
bitte Eskalationen oder Zuwiderhandlungen gegen das Recht wie z.B. Verstöße
gegen das Versammlungsrecht zu unterlassen, verbuchte ich unter gelebte
Fürsorge des Unternehmens für seine Mitarbeiter und die Menschen drum herum.
Der Samstag
kam. Gegen 10:30 Uhr erreichte ich mit meinem Sohn die Zufahrt in den Wald, wo bereits
Werkschutz wartete. Man könne uns nach aktueller Einschätzung der Lage nicht
einzeln zur alten Autobahnauffahrt lassen, der Werkschutz würde uns, wenn wir
alle da seien, Geleitschutz geben, aber dann müssten wir die Autos dort während
des Spazierganges unbeaufsichtigt stehen lassen.
Wir entschlossen uns, ob der Unversehrtheit unserer Fahrzeuge ebenjene am Waldeingang stehen
zu lassen und zu Fuß in den Wald zu gehen.
Ein herrlicher Spätsommertag
begleitete uns – ist Deutschland eigentlich das einzige Land, das bei solch
einem spektakulären Sommer das Ende der Welt ausruft?
Schon auf dem
Weg entlang der alten Straße begannen intensive Diskussionen, einige Teilnehmer
aus dem RWE-Umfeld konnten fundiert und fachlich Auskunft geben. Diese
Antworten klangen alle so anders als die aus dem Mund berufener „Experten“,
Waldpädagogen oder der qua genommenem Baumhauswohnrecht selbsternannter
Naturschützer im Internet gehörten filterblasengenerierten „Wahrheiten“.
Als wir von
der Straße in den Wald abbogen, erwarteten uns als Hinterlassenschaft der
Räumung gebliebene breit ausgebaute Wege, allerdings gefühlt alle 20 m von
Barrikaden versperrt, um die man teilweise herumgehen, über die man teilweise klettern
musste. Sehr behindertenfreundlich …
Nach gut 50 m
kamen uns zwei Menschen entgegen, deren einer mit Spiegelreflexkamera die
Besucher fotografierte – wovor haben die eigentlich Angst? Für einige von uns
befremdlich.
Schnell
hatten wir einen Begleiter von Aktivistenseite, der höflich frug, ob er uns
begleiten könnte, um zuzuhören, was wir so zu erzählen hätten. Klar, konnte er
und hatte manche für ihn wenig ergiebige Diskussion zum Sinn des Widerstandes
gegen die Rodung und für eine mächtige große Transformation der Gesellschaft
zum linken „Alle-haben-sich-lieb“-Wunderland.
Zwei
vermummte Jungaktivistinnen versuchten sich ebenfalls dazu zu gesellen, bogen aber
schnell wieder ab, da ihre aggressive Art auf wenig Gegenliebe stieß –
Nachwuchs für die alternativen Zellen der Republik.
Der Wald gab sich so, wie mein Eindruck aus den unzähligen Facebook-Streams war
– kein schöner Wald, kein Urwald, ein großflächig freigeräumter
Wirtschaftswald. Freigeräumt und gefegt durch die Waldschützer, da zig Festmeter Altholz
zum Barrikadenbau gedient hatten. Auf einschlägigen Webseiten hatte ich
gelesen, dass die Bechsteinfledermaus
zu den mittelgroßen Arten gehört, wegen ihres Felles aber schlecht fliegen
kann. Daher hat sie sich auch auf die Jagd am Boden spezialisiert. Schlecht,
wenn dort keine Insekten mehr im Altholz wegen Wohnungsmangels zu finden sind. Schlecht,
wenn wenig Unterholz kaum Fluginsekten ernähren kann.
Ihre niedrige
Bestandsdichte (ca. 20 Tiere auf 250 – 300 ha) macht sie empfindlich
gegen Störungen. Da genau in der Paarungszeit tausende den Wald stürmten, wird
die Umsiedlung entlang der neu geschaffenen Baumzonen zwischen der Kerpener
Steinheide und der Sophienhöhe mit dem inzwischen über 30-jährigen Baumbestand
spätestens dieses Jahr vollzogen sein.
Aber wie sagte Dirk Jansen, Geschäftsleiter BUND NRW: „Entscheidend sind für
uns die Menschen, die Menschen in Buir und Niederzier, für die wir einen Schutz
vor unzumutbaren Belastungen erreichen wollen. Dazu nutzen wir die
Bechsteinfledermaus.” Business as usual, erinnert an die geplante Lückenschliessung
der A33 oder die Verlegung der A4.
Still war es
im Wald, kein Vogel zu hören. Wildspuren waren keine zu finden, nichts
raschelte im wenigen Unterholz, kein Wunder nach der Großtreibjagd der 20.000
am letzten Wochenende. Wenn Geräusche da waren, dann die Stimmen jenseits der
Wege aus den wieder begonnenen Bauaktivitäten der Umweltschützer.
„Ruhe braucht der Wald“ posaunen derweil die Twitter-Accounts der
Hambi-bleibt-Aktivisten, soll wohl aber wohl heißen: Alle raus bleiben aus dem
Wald außer dem Widerstand gegen Kapitalismus, Demokratie, Rechtssystem und
verhasster Gesellschaft.
Dünnes
Stangenholz zwischen wenigen dickeren Eichen, Linden, Buchen. Barrikaden,
teilweise Gräben in den Wegen - da steckt viel Arbeit und Aktivistenzeit drin.
Keine uralte Eiche, knorrig, riesig, märchenhaft – wir haben uns aber auch
nicht wirklich in die Tiefen jenseits der Wege getraut.
Übrigens ist
dieser Wald auch keine 12.000 Jahre alt, wie eine Abhandlung des Archäologen
Markus Janssen aus 1983 nachweist. Erst gegen 500 n. Chr., nachdem die Römer
ihre Villae rustica verlassen hatten, begann ein wilder Wald zu wachsen, der
schon ab 800 n.Chr. als Bürgewald wirtschaftlich genutzt wurde.
Aussagefähige
Plakate und Schilder hingen an den Wegen, „Afd und RWE, beide tun uns alle weh
– Bäume statt Zäune“, „Wind weht immer“ oder „Wenn RWE im Recht ist, ist das
Recht Scheiße“. Mit den Herbststürmen werden diese Relikte der
Zivilgesellschaft wohl als Müll den Wald verschönern.
Nach einer
guten Stunde verließen wir den Wald wieder, unser junger Freund unverrichteter Dinge auch. Schwerer Job, mit Ideologie Fakten entkräften zu
wollen.
Wir werden wiederkommen – zu neugierig
hat uns das (durch das selber Erleben des auf dem heutigen Spaziergang recht nackt
gewordene Symbol deutscher Umweltschützermobilisierung) Stück Wald und dessen
Weiterentwicklung am Rande des Tagebau Hambach gemacht.